Warum Paywalls allein den Journalismus nicht retten
Das Jahr 2021 markiert den Wendepunkt einer sich seit Jahren vollziehenden Entwicklung: Erstmals übersteigt die Zahl von Online-Leser:innen (34,4 Millionen), die der Print-Leser:innen (32,9 Millionen). Abgezeichnet hat sich dies in Deutschland bereits seit Anfang der 1990er Jahren mit den kontinuierlich sinkenden Printauflagen von Zeitungen und Zeitschriften. Diese haben sich in der Zeit von 1991 bis 2020 mehr als halbiert. Das einstig tragende Abogeschäft im Printbereich ist somit massiv eingebrochen und mit ihm einer der Haupteinnahmequellen von Verlagshäusern: die Print-Werbeerlöse.
Die digitale Transformation des Journalismus ist also in vollem Gange, bringt jedoch einiges an Herausforderungen mit sich. Zwar haben Verlage frühzeitig ihr Angebot im Internet bereitgestellt, allerdings ohne grundlegende Monetarisierungsstrategie. Ein Grund, warum nun mehr und mehr Medien auf Paywalls (Bezahlschranken) setzen und so versuchen, das Abomodell der Print-Ära ins digitale Zeitalter zu transferieren. Der Haken daran: die typische Paywall wird den Online-Gewohnheiten der Nutzer:innen nicht gerecht und bringt weitere Probleme für Verlage und Werbetreibende.
Mittlerweile hat der Großteil der Verlage in Deutschland eine Paywall. Fakt ist wiederum auch, dass der Großteil der Leser:innen nicht bereit ist ein digitales Abonnement abzuschließen. So fand PWC in einer Studie1 heraus, dass nur rund 20 % der Befragten schon mal für journalistische Online-Inhalte Geld ausgegeben haben, rund 40% gaben zudem an, gar nicht bereit zu sein für journalistische Inhalte im Netz Geld zu bezahlen. Der Digital News Report 2022 verweist auf nur rund 10% an Nutzer:innen in Deutschland, die innerhalb der vergangenen 12 Monate für Nachrichtenkonsum im Internet bezahlt haben. Dies spiegelt sich in der großen Absprungrate an den Paywalls wider. Sie beläuft sich durchschnittlich auf 95 Prozent. Das Reuters Institute for Journalism weiß auch den Grund dafür: Subscription Fatigue. Der Großteil der Leser:innen, die überhaupt für ein Abo zahlen, haben maximal eins. Die Mehrheit der Leser:innen der meisten Medien sind also Casual Reader (Gelegenheitsleser:innnen) für deren überschaubarer Nutzungsrahmen des jeweiligen journalistischen Angebots sich ein Abonnement nicht rentiert. Die Verlage hingegen verpassen hier die Chance Gelegenheitsleser:Innen ebenfalls zu monetarisieren, da sie keinen Einzelkauf von Artikeln anbieten und die Leser:Innen die Webseite wieder verlassen. Damit verlieren sie nicht nur Geld, sondern auch die Möglichkeit Leser:innen von ihrem Angebot zu überzeugen. Zudem sinken Reichweite und Verweildauer und damit letztlich auch der aufrufbare Werbepreis.
Die wirtschaftliche Schieflage von Verlagen mündet nicht nur in Stellenabbau innerhalb von Redaktionen, sie resultiert langfristig und unmittelbar auch in dem Verlust einer diversen Medienlandschaft, einem wachsenden Mediensterben und damit letztlich in einer Gefahr für unsere Demokratie. Ein Umstand, den sich eine pluralistische Gesellschaft gerade jetzt in Zeiten von Fake-News und Vertrauensverlust in Medien nicht leisten kann.